Der 1. Mai 1945

Im Auftrag des Rates der Stadt Ribnitz-Damgarten 1970 von W. Friemel gemaltes Bild (Öl auf Hartfaser)

 

In der Stadt Barth, etwa 30 km östlich von Ribnitz, befand sich während der Zeit des Faschismus ein Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück. Hier mussten vorwiegend Frauen in der Rüstungsproduktion der Heinkel-Werke arbeiten.

Mit dem Herannahen der Front wurden die Insassen des KZ am 30.April 1945 auf den so genannten Todesmarsch in Richtung Westen geschickt.

In der Nacht durchquerten die Männer fast unbemerkt Ribnitz, am Morgen erreichten die Frauen die Stadt. Wohl aus Furcht vor der schnell heran nahenden Roten Armee verließen die SS-Wachmannschaften unmittelbar nach dem Eintreffen in Ribnitz die Frauen und flohen in Richtung Fischland.

Dass die Häftlinge sich verstreuten und einige der geschwächten Frauen am Ortseingang aus Richtung Damgarten und bei der Kirche lagerten, wird von Zeitzeugen bestätigt. Ebenso die Tatsache, dass Kinder von ihren Müttern zu den Frauen geschickt wurden, um ihnen Kaffee zu bringen.

Über den Verlauf der Ereignisse bis hin zur Befreiung der Frauen gibt es einige widersprüchliche Darstellungen.

Fest steht, dass sie auf Befehl des aus Ribnitz stammenden und wegen einer Kopfverletzung frontuntauglichen Oberleutnants Bremer von  einer Gruppe Hitlerjungen wieder zusammengetrieben und später im Keller des Rathauses eingesperrt wurden.

Die auf der Gedenktafel angegebene Zahl von 800 wird allerdings inzwischen angezweifelt. Wahrscheinlich handelte es sich um 80 bis 100 Frauen, dafür sprechen alleine die örtlichen Gegebenheiten. Die Zahl 800 könnte sich auf die Gesamtzahl der auf dem Todesmarsch durch Ribnitz gekommenen Frauen beziehen. Den meisten von ihnen könnte es gelungen sein, die Stadt unbehelligt wieder zu verlassen.

Wohl gegen Mittag baute die HJ auf dem Marktplatz ein Maschinengewehr auf und die Frauen mussten sich davor aufstellen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich auch etliche Ribnitzer Bürger auf dem Marktplatz versammelt, um zu erfahren, wie die Stadtverwaltung bezüglich einer kampflosen Übergabe der Stadt entschieden habe. Bürgermeister und Stadträte sprachen sich wohl mehrheitlich für eine kampflose Übergabe aus, alleine der Oberleutnant Bremer suchte dies mit allen Mitteln zu verhindern. Im Rathaus fanden anscheinend hitzige Diskussionen statt.

Über die eigentliche Befeiungsaktion gibt es einige abweichende Zeugenaussagen. Einige sprechen davon, dass Bremer von einigen Männern entwaffnet und verprügelt worden wäre, andere geben an, das Gewehr unbrauchbar gemacht zu haben. Auf jeden Fall aber scheint es zu einem Handgemenge gekommen zu sein, in dessen Folge sowohl Bremer als auch die Hitlerjungen den Markt verließen. Zeugen berichten auch, dass der Vater Bremer sich seinem Sohn entgegen gestellt haben soll.

Wie auch immer sich die Ereignisse genau abgespielt haben, auf jeden Fall verhinderte die Zivilcourage einiger Ribnitzer Bürger ein Massaker an den Frauen.

Im Folgenden ist nur noch so viel überliefert, dass auf die Nachricht  hin, russische Panzer seien am Bahnhof, die Menge sich schnell zerstreute. Die Ribnitzer Bürger beeilten sich, ihre Häuser zu erreichen und die Frauen erwarteten die russischen Soldaten, die sie wenig später freudig begrüßten. Die Frauen wurden in den darauf folgenden Tagen zunächst bei Ribnitzer Familien untergebracht und mit Nahrungsmitteln und Kleidung versorgt. Belegt ist, dass es Einzelfälle gab, wo sie deutsche Frauen vor Übergriffen russischer Soldaten schützten. Einige Wochen später begann die Rückführung der ehemaligen Häftlinge in ihre Heimatländer.

Einige der damaligen Häftlingsfrauen besuchten später die Stadt und berichteten über den Verlauf der Ereignisse aus ihrer Sicht. Auch damals beteiligte Ribnitzer trugen mit ihren Erinnerungen dazu bei, ein ungefähres Bild des Geschehens zu zeichnen.

Diese Dokumente befinden sich im Stadtarchiv Ribnitz- Damgarten sowie in Privathand.

Jana Behnke, Stadtarchiv Ribnitz-Damgarten

Quelle: Stadtarchiv

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