Fremdenverkehr in Ribnitz in den 1940er Jahren

Ende 1942: Ganze Straßenzüge liegen in Rostock bereits in Schutt und Asche. Fliegeralarm wird auch in Ribnitz verstärkt zur Erfahrung. Der kritische Beobachter mochte erahnen, dass das Pendel des Krieges nun langsam, aber kraftvoll gegen die Deutschen zurückschlug. In dieser Situation ist das Streben nach Normalität vielleicht nur allzu menschlich. Hierzu gehörte, dass der Fremdenverkehr in den Urlaubsregionen des Nordens beharrlich fortgesetzt wurde. Der Landesfremdenverkehrsverband Mecklenburg zeigte sich bemüht, den Tourismus nicht gänzlich zum Erliegen zu bringen. Dabei hatten gerade die Ostseebäder aufgrund „feindlicher Einflüge“ und der „starken Belegung mit Militär“ einen Besucherrückgang zu verzeichnen. Hinzu traten Probleme bei der Lebensmittelversorgung. Touristischer Gewinner dieser Situation war die mecklenburgische Seenplatte, die mehr Gäste begrüßen konnte. Die Reiseziele verlagerten sich im Verlauf des Krieges kontinuierlich ins Landesinnere. Davon zunächst weniger betroffen zeigte sich Ribnitz. Während im Rechnungsjahr 1942 5.573 Übernachtungen in der Stadt gezählt wurden, verdoppelte sich die Zahl im folgenden Jahr auf 10.696.

Zum Reisegepäck der Gäste gehörten die amtlichen Lebensmittelkarten ebenso wie eine offizielle Abmeldebescheinigung des Heimatortes. Der erste Gang am Urlaubsort führte die Gäste zur Polizeistation, wo eine Anmeldung zu erfolgen hatte. Die Aufenthaltsdauer der „Ortsfremden“ war seit Februar 1942 auf maximal vier Wochen begrenzt worden. Im folgenden Jahr wurde die Aufenthaltsdauer weiter limitiert. Die Ribnitzer Polizeiverordnung legte fest, dass „Fremde nur auf die Dauer von höchstens 4 aufeinanderfolgenden Nächten“ in den Gasthäusern aufgenommen werden durften. Ein längeres Verweilen war nur in Ausnahmefällen und mit Zustimmung des Bürgermeisters möglich. In Ribnitz standen den Gästen  im April 1943 fünf Hotels zur Verfügung. Dies waren das Hotel „Kaiserhof“ (20 Betten in 14 Zimmern), der „Rostocker Hof“ (11 Betten in 8 Zimmern), das Hotel „Zur Sonne“ (18 Betten in 9 Zimmern), das Hotel und Kurhaus „Tannenheim“ in Körkwitz (10 Betten in 5 Zimmern) und das Kaffee „Haifisch“ (10 Betten in 5 Zimmer). Im „Haifisch“ waren alle Zimmer unbeheizt. Ferner das Gasthaus „Stadt Lübeck“ (8 Betten in 5 Zimmern), das Hotel „Mecklenburger Hof“ (6 Betten in 3 Zimmern) und das Gasthaus „Zur Klause“ (6 Betten in 3 Zimmern). Auf Nachfrage gaben alle Herbergen, ihre Zimmer „durchweg täglich neu zu vermieten“. Als die Ortspolizei jedoch etwas genauer hinschaute, entdeckte sie schnell Gesetzesverstöße. Im Spätsommer 1943 hatte der NSDAP-Kreisleiter Rostock-Land Überprüfungen angeordnet. Es könne nämlich nicht angehen, „daß unsere Beherbergungsbetriebe dadurch lahmgelegt werden, daß Leute aus irgendwelchen Großstädten, die über das nötige Geld verfügen, unsere Hotels als Wohnungen in Anspruch nehmen“. Im Hotel „Zur Sonne“ gerieten zwei ausgebombte Hamburger Familien ins Visier der Polizei. Beide bewohnten seit mehreren Wochen ihre Hotelzimmer. Im Hotel „Kaiserhof“ wohnte bereits über zwei Jahre „ein gewisser Steen aus Hamburg“ mit seiner Frau in einem Einzelzimmer. Er arbeitete im Auftrag der Firma Walther Bachmann und versah die Firmengebäude mit einem Tarnanstrich. Im April 1944 hatte sich die Zahl der Dauermieter in Ribnitzer Hotels bereits auf elf erhöht. Trotz aller Bemühungen wurde die Aufrechterhaltung des Fremdenverkehrs immer unrealistischer. Der Zugverkehr stand immer mehr im Dienst des Militärs. Im September 1944 waren Erholungsreisen gänzlich verboten. Die Fremdenverkehrsgemeinden beruhigen sollte die Möglichkeit von „Reisen zur Kur aufgrund ärztlicher Bescheinigung“. An entspannten Urlaub war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu denken. Im Herbst 1944 musste der Ribnitzer Bürgermeister die Aufnahme „erholungsbedürftiger Rüstungsarbeiter“ im Ostseebad Ribnitz ablehnen. Alle dortigen Räumlichkeiten belegten mittlerweile Ausgebombte und Evakuierte, deren Versorgung gerade während des Winterhalbjahres „größte Schwierigkeiten“ bereite. In Ribnitz selbst waren alle Hotels „überbelegt“. An Erholungsurlaub war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu denken. Jan Berg

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