Die patriotischen Nagelungen am Beginn des Ersten Weltkrieges in Ribnitz und Damgarten 1915

Granaten explodierten in den Schützengräben, zerschmetterten und begruben alles Leben. Maschinengewehrsalven peitschten durch die Luft und zerrissen Körper. Das Leid der Söhne aus Ribnitz und Damgarten an den Fronten des Ersten Weltkriegs war erschütternd. In Sachen Opferbereitschaft wollte ihnen auch die Heimat in Nichts nachstehen. Ein zentrales Element diese Unterstützungskultur waren öffentliche Nagelungen zugunsten einheimischer Kriegerfamilien. Ende September 1915 hatten sich die Ribnitzer Stadtvertreter für die Nagelung eines Stadtwappens aus Eichenholz entschieden. Das hölzerne Wappenschild wurde von Tischlermeister Clauser angefertigt. Im Vorfeld der offiziellen Nagelung konnten die Ribnitzer in verschiedenen Geschäften Nägel kaufen. Die Nägel wurden in vier verschiedenen Qualitäten und Preiskategorien verkauft: eiserne für 1 Mark, silberne für 5 Mark, goldene Nägel für 10 Mark. „Spezial-Nägel“ die mit einer individuellen Gravur versehen werden konnten, kosteten mindestens 25 Mark. Hierfür musste sich der Interessent an Kaufmann Dannehl und Goldschmied Kramer wenden. Noch heute lesen wir dort die Namen der wichtigsten Honoratioren der Stadt: Bürgermeister Dr. Düffert, Bruno Joseph, Dr. Ludwig Thron, die Damen des Ribnitzer Klosters uvm. Kinder zahlten grundsätzlich den halben Preis für die Nägel. Für den Tag der Nagelung konnten man sich für 1 Mark einen Platz auf dem Rathausbalkon reservieren lassen. Karten gab es in der Buchhandlung von Gustav Demmler.

Bild: privat - Vor dem Ribnitzer Rathaus

Die Festveranstaltung fand am 17. Oktober 1915 auf dem Ribnitzer Markt statt. Zunächst sammelte sich ein Festumzug am Rostocker Tor. Die Mitglieder des Kriegervereins waren in dunklem Anzug, hohem Hut, mit Orden und Verbandsabzeichen angetreten. Anschließend setzte sich der Zug über die Heiligengeist- und Gänsestraße in Richtung Markt in Bewegung. Dort empfing sie das vor dem Rathaus aufgestellte Eichenwappen. Um 14.30 Uhr begannen die Vertreter des Magistrats ihre Nägel in das Eicheholz zu treiben. Unter musikalischer Begleitung wanderte der Hammer von Hand zu Hand bis die Feier um 17.00 Uhr ihr Ende fand. Ein „großer Festabend“ mit patriotischen Reden, „Gesang- und Musikvorträgen“ lud um 20 Uhr in die Bürgerhalle ein. Die Eintrittsgelder kamen wiederum den Kriegerfamilien zu gute. In den nächsten Wochen konnten die Ribnitzer weiterhin Nagel kaufen und ins Wappenschild einschlagen. Ein zweiter „Festabend“ sorgte für weitere Spenden. Nach vier Wochen blickten die Ribnitzer auf Spenden durch Nagelung und Festivitäten in Höhe von fast 6.000 Mark zurück.

In Damgarten fand die offizielle Nagelung eine Woche später statt, am 24. Oktober. Man hatte sich entschieden, die Nagelung mit den Feierlichkeiten zum 500jährigen Jubiläum des Herrscherhauses Hohenzollern zusammenzulegen. Zunächst lud die Kirche zu einem Festgottesdienst. Anschließend gingen alle geschlossen, Bürgermeister und Magistrat voran, unter musikalischem Spiel zum Marktplatz vor dem Rathaus. Bunte Fähnchen, Banner und Wimpel in den Landesfarben und in der Farben der Verbündeten Kriegsteilnehmer zierten den Platz. Dort wartete ebenfalls ein eichenes Stadtwappen mit dem Abbild des Stadtgründers Jaromar II. darauf, möglichst zahlreiche Nägel in sich aufnehmen zu können. Kunstvoll hatte auch für den pommerschen Nachbarn Tischlermeister Clauser das Wappen gestaltet. Für die Nagelung standen den Bürgern neben eisernen Nägeln, die bei den Schulkindern sehr beliebt waren, auch „gestiftete Schilder und Sondernägel“ zur Verfügung. Die fünf Spitzen der Krone Jaromars blieben den Nägeln des Bürgermeisters und der Magistratsmitglieder vorbehalten. Die Nagelung brachte einen Erlös von etwa 1.200 Mark. Weil der Winter vor der Tür stand, kaufte die Stadt von diesem Geld Feuerung für bedürftigen Familien.

Um 20 Uhr fand im Hotel „Deutsches Haus“ ein „vaterländischer Familienabend“ statt. Der Eintritt war frei. Weithin hörbar erhellten die vielstimmigen patriotischen Lieder den Damgartener Abendhimmel. Jan Berg

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