Interview eines fiktiven Lokalreporters mit Gustav II. Adolph von Schweden (1594-1632)
Reporter: Gestatten Majestät einige Nachfragen zu Eurem Aufenthalt in Ribnitz?
G.A.: Wenn es denn sein muss!
Reporter: Welchen ersten Eindruck hattet Ihr, aus Osten kommend, beim Blick in Richtung Pass?
G.A.: Am 23. September 1630 stand ich am Pass bei Damgarten. In dem Krieg, den ihr den 30jährigen nennt. In Damgarten war zwar ein tiefer Graben zu überwinden, aber in den Plankenzaun schlugen meine Kerle leicht eine Bresche. An der Schanze vor dem Pass stellten sich uns 50 Landsknechte entgegen, auf dem Turm gab es ganze 12 Schützen. Für meine Soldaten kein Problem. Die Kaiserlichen in Ribnitz haben einen mächtigen Schrecken bekommen, als sie am folgenden Tag meiner ganzen Armee ansichtig wurden. Die hatte ich extra aufmarschieren lassen…
Reporter: Trotz Eurer Übermacht ließt Ihr Laufgräben und Brustwehre bis zum Pass ausheben!
G.A.: Natürlich! Welcher Feldherr stellt seine Soldaten als Zielscheiben auf? Die paar Kaiserlichen aus Ribnitz haben uns ein ordentliches Scharmützel geliefert, ehe wir am 27. September über den Pass gelangten!
Reporter: Der dortige Pastor Hahne schrieb in sein Kanzelbuch, die Ribnitzer würden zwar den protestantischen Schwedenkönig als Befreier sehnlichst erwarten, fürchteten aber um Leib und Leben, wenn es in den Mauern der Stadt zum Kampf zwischen Euch und den Kaiserlichen kommen sollte.
G.A.: Die Kaiserlichen wollten nicht kampflos das Feld räumen. Ich hätte zuerst die lächerliche Stadtmauer und dann die Stadt selbst dem Erdboden gleichmachen können.
Reporter: Und?
G.A.: Welches Interesse sollte ich daran gehabt haben, schließlich sollten die braven Bürger doch mein Heer ernähren. Und das war damals nicht so einfach wie knapp 200 Jahre später, als einer meiner Nachfolger auf dem schwedischen Thron, Karl XIII, 1813 für seine Offiziere und Soldaten am Abend ihres Einmarsches eine warme Mahlzeit mit Fleisch verlangte, und am nächsten Morgen ein ordentliches Frühstück, … beides mit einem Glas Branntwein und im Falle der längeren Einquartierung täglich zwei warme Mahlzeiten, einmal mit Fleisch, und ein Glas Branntwein oder einen Pott Hausbier. Zu meiner Zeit fielen die Landsknechte über die Stadt her und nahmen, was sie kriegen konnten.
Reporter: Und Ihr meint, es sei den Bürgern dadurch 1813 leichter geworden? Sicher nicht! Aber zurück ins Jahr 1630…
G.A.: Kanonenkugeln von meinem misslungenen Eroberungsversuch vom See aus hat man noch Jahrhunderte später gefunden. Letztlich musste ich doch das Hohe Tor im Osten vom Graben aus mit Leitern stürmen lassen. Gegen 9 Uhr abends gab der Kaiserliche Hauptmann Meseroth auf. Zwei Compagnien Reiter flüchteten darauf aus dem Rostocker Tor nach Westen. So blieb die Stadt verschont und ich konnte sie für 14 Tage zu meinem Hauptquartier machen. Kurz vor Mitternacht ritt ich auf den Ribnitzer Marktplatz, wo mir der Bürgermeister untertänigst die Schlüssel überreichte. Dafür bot ich der Stadt Schutz und Gnade an.
Reporter: Das habe ich aber auch anders gehört.
G.A.: Was erlaubt er sich?
Reporter: Ich weiß nur, dass die Ribnitzer sich beklagten, die Stadt habe bei der Eroberung viel Schaden genommen. Den Einwohnern wäre Hab und Gut weggeschleppt worden. Die Soldaten und Offiziere würden maßlose Forderungen an Essen und Trinken stellen und ansonsten in die Häuser der Bürger einbrechen und dort rauben und stehlen.
G.A.: Es war Krieg! Solange ich in der Stadt war, ist jedenfalls solches nicht geschehen. Und als ich abzog, erlaubte ich den Ribnitzern, ihr entlaufenes Vieh einzufangen und auch die Schweine wieder in den Stadtwald zu treiben.
Reporter: Und warum? Damit Eure Truppen nur Wochen später alles gerettete Vieh und dazu Getreide beschlagnahmen und nach Stralsund bringen lassen konnten.
G.A.: Schließlich habe ich meinen geliebten Vettern, den rechtmäßigen Herzögen von Mecklenburg, wieder zu ihrem Recht verholfen und das Land von den feindlichen Katholiken befreit. Die Bürger sollten mir dankbar sein.
Reporter: Das Bier, das die Ribnitzer beim großen Dankfest am 22. Februar 1632 auf Euch tranken, ist ihnen später sauer aufgestoßen. Keine fünf Jahre später kehrte der Krieg zurück. Bis kein Stein mehr auf dem anderen war. Eure Schweden waren da nicht weniger schlimm als die Kaiserlichen. Euer Schutzbrief hin und her.
G.A.: Da war ich schon tot. Am 6. November 1632 als Feldherr inmitten meiner Truppen gefallen.
Reporter: Also nichts mit dem Löwen aus Mitternacht, der Europa den Frieden bringt und es eint?!
G.A.: Ich habe meine Verdienste! Gelte noch heute als großer protestantischer König! Und wenn ihr wissen wollt, was die Ribnitzer über mich gedacht haben, lest doch einfach, was sie in ihrer alten Chronik, übrigens eine Zeitzeugin seit 1610, über mich geschrieben haben.
Mehr habe ich nicht zu sagen. Und jetzt trolle er sich!
Reporter: Natürlich. Vielen Dank, Majestät!
Wie die Warwegsche Chronik den Kampf der Schweden am Pass beschreibt
"Nachdem der Kayserliche Kommandierende Hauptmann Meseroth mit 200 Knechten allhier sein Quartier gehabt, sind noch 2 Compagnien Reiter einlogiert gewesen. Außerdem 50 Knechte auf der Schanze vor dem Pass mit einem Leutnant sowie 14 Knechte auf dem Turm vor Damgarten nebst einem Corporal. Weiterhin sind 160 Knechte darunter ein Leutnant von gräflicher Person hier gewesen.
Den 22. September 1630 ist „Schwedisch Volk“ von Stralsund hierhergekommen den Pass zu besichtigen, wonach sie wieder abgerückt sind, bis am 23. September Seine königliche Majestät der Schweden mit „etlich Volk“ vor Damgarten anlangte und zum Turm vorrückte. Die Kaiserlichen auf dem Turm haben sich ziemlich mit Schießen zur Wehr gesetzt, doch dieser wurde endlich von den Schwedischen erobert und um 10 Uhr mittags besetzt.
Den 24. September hat sich Seine Königliche Majestät der Schweden bei Damgarten in weitem Feld mit seiner ganzen Macht sehen lassen. Worauf die Kaiserlichen in Ribnitz bestürzt gewesen waren und ihren Oberst in Rostock um Erlaubnis zum Rückzug gebeten, welches … aber nicht erfolgte.
Unterdessen haben die Schwedischen mit einer großen Anzahl von Soldaten am Damm vor Damgarten „sich gar stark beschützet“ und Laufgräben ausgehoben auf der pommerschen Seite bis zum Ribnitzer Pass. Bis nach Freudenberg wurde eine Brustwehr gemacht. Darauf sind die Kaiserlichen mit „etlich Dragonern“ dorthin geritten, worauf es zu einem starken Scharmützel zwischen beiden Seiten gekommen ist. Aber die Schwedischen sind mit Macht gekommen, wodurch die Kaiserlichen haben weichen müssen.
Den 27. September sind dann die Schwedischen mit Macht über den Pass bei Freudenberg und nahe Ribnitz angelangt. Als sie vor dem Marlower Tor angelangt waren, hat seine Schwedische Majestät einen Trompeter an den kaiserlichen Kommandanten Hauptmann Meseroth gesandt, ob er die Stadt nicht mit Güte aufgeben wollte. Meseroth hat aber zur Antwort geben lassen, solches könnte er nicht tun. „Worauf danach von beiden Seiten ein grässlich Schießen geschehen.“ Auch vom Fischertor aus, weil die Schwedischen mit Schlupen [Booten] sehr stark dort angelanget waren.
Die Schwedischen aber haben das Schießen kaum beachtet und sind mit Macht „hinan gesetzt“. Um 8 Uhr sind zwei Kompanien Reiter der Kaiserlichen aus dem Rostocker Tor gewichen, mit ihnen 24 Musquetiere, darunter ein Korporal.
Die Schwedischen haben weiter mit Macht den Angriff mit Schießen fortgesetzt, weil aber das nicht hat helfen wollen, wurde der Angriff auf das Marlower Tor zu Wasser mit Leitern? angeordnet, wofür 4 Leitern? nacheinander angesetzt wurden, bis endlich nach 9 Uhr der Hauptmann Meseroth vom Marlower Tor heruntergekommen.
Hierauf sind die Schwedischen in die Stadt eingefallen. Der König verbot jedoch Plündereien und verkündete, er haben den Fuß auf Mecklenburgischen Boden gesetzt und werde mit Gottes Hilfe den Krieg fortsetzen, denn den Fürsten von Mecklenburg ist Gewalt und Unrecht geschehen."
Nach "Acta curia des Rahts Buch …abcopiyret, verteutschet und registrieret von Caspar Warwegh 1610, 1611, 1612, 1613 ff."
(Der Text ist gekürzt und sinngemäß in heutige Sprachform übertragen, wobei typische damalige Schreibweisen beibehalten sind)
Mecklenburg und Pommern im 30jährigen Krieg. Kurzer Abriss
Zunächst gelang es den Mecklenburgischen Herzögen als neutrale Reichsfürsten, ihr Land aus dem Krieg herauszuhalten. Doch als protestantisches Land weckte Mecklenburg die Begehrlichkeiten der kaiserlich-katholischen Heere. Aus diesem Grunde verbündeten sich die Mecklenburger unter Führung des Dänenkönigs Christian IV mit Braunschweig, Pommern, Brandenburg, Holstein und den Freien Hansestädten. Obwohl als sogenannter Defensivbund geplant, wurden die Verbündeten ab 1626 in die Kämpfe hineingezogen. Der Dänenkönig wurde im gleichen Jahr durch die kaiserlichen Truppen unter General Tilly besiegt, worauf sich ein Teil seines Heeres nach Mecklenburg zurückzog und dort die ersten Verwüstungen anrichtete. Ab Ende August 1626 besetzten dann Wallensteinsche Truppen Mecklenburg und stationierten in allen Landstädten eine oder zwei Kompanien. Ihnen wurde nur wenig Widerstand entgegengesetzt, wie etwa in der Festung Plau oder der Stadt Bützow.
Auch Ribnitz und Damgarten wurden von Kaiserlichen Truppen besetzt. Als einziger direkter Bezug Wallensteins zu Ribnitz gilt ein Befehl des Feldherrn vom 25. Juli 1626, dass alle wüsten, also unbebauten Stellen in der Stadt wieder aufzubauen seien. Doch dazu waren die Ribnitzer nicht in der Lage, hatte nicht nur der Krieg die Stadt verarmen, sondern die Pestepidemie der vergangenen zwei Jahre die Bevölkerung auf die Hälfte schmelzen lassen.
Anfang 1628 verfügte der Kaiser wegen angeblichen Hochverrats in Gestalt ihres Bündnisses mit dem dänischen König die Absetzung der Mecklenburgischen Herzöge. General Wallenstein erkaufte sich beim Kaiser die Mecklenburgischen Länder und wurde so zum neuen Herzog von Mecklenburg. Die Herzöge Johann Albrecht II. (Mecklenburg-Güstrow) und Adolph Friedrich I. (Mecklenburg-Schwerin) mussten das Land verlassen. Die meiste Zeit ihres Exils verbrachten sie in Lübeck. Die Kinder Adolph Friedrichs wurden am Hof des Schwedenkönigs Gustav Adolph in Stockholm aufgenommen, der ein Vetter ihres Vaters war.
Unter Wallenstein wurde ein Teil der Verwaltung neu organisiert sowie Handel, Schifffahrt und Fabriken begünstigt. Außerdem war er bestrebt, sein neues Land möglichst von den schweren Kriegslasten zu befreien. Plünderungen und sonstige Ausschreitungen seiner Truppen wurden untersagt und aufs Härteste bestraft. Trotzdem war das ganze Land durch Festungsbauten und die Versorgung der Kaiserlichen Truppen schwer belastet.
Am 6. Juli 1630 landete die schwedische Flotte mit dutzenden Schiffen auf Usedom, und Gustav II. Adolph trat mit 13.000 Mann in den Krieg ein. Der Schwedenkönig war überzeugter Protestant, weshalb ihm die protestantische Bevölkerung anfangs mit Hoffnung und Sympathie begegnete. Mit seinem Auftreten entsprach er ganz den Prophezeiungen des Paracelsus von einem „gelben Löwen aus Mitternacht“, der ganz Europa erobern und friedlich einen würde.
Gustav Adolph nutzte diesen Volksglauben als Propaganda für sich und ließ Münzen mit seinem Bild und der Aufschrift vom goldenen Löwen prägen.
Der junge Schwedenkönig war mit seinen 35 Jahren bereits ein erfahrener Feldherr. Er sah sich als Nachfahre der Goten, weshalb er seine Titel durch den des Rex Gotorum (König der Goten) ergänzt hatte.
Unter Gustav Adolph wurde in Schweden die Wehrpflicht eingeführt. Einer von zehn Männern zwischen 18 und 60 Jahren musste aktiv in der Armee des Königs dienen, die anderen neun hatten seine Ausrüstung zu finanzieren. Auch deshalb regte sich in der Bevölkerung Widerstand gegen die „Kriegslust“ des Königs. Sein Eingreifen in den seit 1618 in Europa tobenden Krieg konnte er nur dadurch rechtfertigen, dass man den deutschen Glaubensgenossen zur Hilfe eilen müsse, um „unsere hochbedrängten Nachbarn, Verwandten und Schwager … vom päpstlichen Joch“ zu befreien.
Das schwedische Heer machte sich von Usedom aus auf den Weg durch Pommern, wo es schon zwei Wochen später vor den Toren der Hauptstadt Stettin stand.
Am 23.September 1630 erreichte Gustav Adolph Damgarten, das er am darauffolgenden Tag belagerte und einnahm. Nach tagelangen Schanzarbeiten und dem anschließenden Übergang über die Recknitz zog Gustav Adolph von Schweden mit seinem Heer in Ribnitz ein. Für zwei Wochen wurde die Stadt sein Hauptquartier. Hier erließ er am Folgetag ein Edict, in dem er die untreu gewordenen Mecklenburger an ihre Pflicht gegenüber ihren gottgegebenen Landesherren ermahnte. Er schrieb, um Ämter, Wohlleben, Geld und Gut hätte sich mancher Wallenstein, der das Land mit Krieg überzogen hatte und überdies Katholik war, angedient. Welch schändliches Betragen! Den Reuigen bot er seinen Schutz und einen Platz in seinem Heer. Die abtrünnigen Verräter aber wollte er „mit Schwert und Feuer“ verfolgen und bestrafen. Durch die glückliche Eroberung des Ribnitzer Passes sähe er sich nun in der Lage, seinen Vettern, den Herzögen Adolph Friedrich und Johann Albrecht wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.
Als Gustav Adolph weiterzog, stellte er die Ribnitzer Bürger unter seinen Schutz, was allerdings nichts daran änderte, dass die zurückgebliebenen Truppen die Stadt bis aufs Blut auspressten.
Da Rostock unter starker kaiserlicher Belegung stand, wandte sich Gustav Adolph zunächst wieder rückwärts in Richtung Pommern, um weiter südlich einen erneuten Vorstoß in Richtung Mecklenburg zu wagen. Nach Eroberung zahlreicher mecklenburgischer Städte setzte er die ursprünglichen Landesherren formal wieder ein. Denselben gelang daraufhin im Sommer 1631 die Rückeroberung des Schweriner Schlosses und im Lauf des Jahres mit Hilfe der Schweden des gesamten Landes.
Das schwedische Heer zog weiter in Richtung Süden, wo Gustav Adolph am 16. November 1632 bei Lützen fiel.
Die weiteren Kriegsereignisse, die die kaiserlichen Heere wieder in Richtung Norden führten, veranlassten die Mecklenburgischen Herzöge, 1635 ein Bündnis mit dem Kaiser zu schließen. Daraufhin fielen schwedische Truppen brandschatzend über das Land her.
Nach dem Tod des letzten Pommernherzogs Bogislaw XIV entbrannte ein erbittertes Ringen um Pommern.
Schwedische und kaiserliche Truppen mit den die Nachfolge der Pommernherzöge beanspruchenden Brandenburgern an der Spitze lieferten sich abwechselnd beidseits der mecklenburgisch-pommerschen Grenze erbitterte Kämpfe. Abwechselnd besetzten die Truppen beider Seiten Ribnitz wie Damgarten und richteten schlimmste Verwüstungen an.
Zu Kriegsende 1648 zeigte sich beidseits des Passes das gleiche Bild. Beide Städte lagen in Schutt und Asche: nur noch 4 Familien hausten in Damgarten notdürftig in den Trümmern. Und auch in Ribnitz lag die Hälfte der Hausstellen wüst. Die Bevölkerung hatte sich mehr als halbiert, zumal der Krieg in den 1620ern die Pest im Gefolge gehabt hatte. Die verbliebenen Menschen waren ausgelaugt und völlig verarmt. Vieh gab es kaum noch, da eine Viehseuche die letzten Tiere hinweggerafft hatte.