Brief Wismarer Schiffer an Friedrich Franz I.

 

"Der zwischen der Krone Schweden und Rußland ausgebrochene Krieg hat uns im abgewichenen Jahre manche Sorge und Nachtheil verursacht, da wir als Wismarsche Bürger unsere Seefahrten nicht so oft und frei wie sonst gewöhnlich, sondern sparsamer und schleichend haben unternehmen müßen.

Wir würden inzwischen verarmen, wenn wir unseren Beruf nicht weiter nachhingen und gleichwohl droht uns dann die Gefahr des plötzlichen Untergangs, wenn wir nach Kriegs-Maxime von feindlichen Schiffen gekapert würden.

Deswegen nahmen wir im vorigen Jahre schon den Entschluß, in Eurer Landstadt Ribnitz das Bürgerrecht zu gewinnen, damit wir ungestört unseren Nahrungs-Betrieb fortsetzen könnten. Aber es ward uns bei der Meldung am 20. Oct. die Aufnahme verweigert, da mehre Schiffer vor uns bereits zu Bürgern angenommen waren, und ein hohes Regierungsinhibitorium[vergleichbar mit einer einstweiligen Verfügung] solches weiter untersagt hatte.

In der Hoffnung, daß in diesem Winter ein Frieden zustande kommen möge, beruhigten wir uns dabei; aber nun, da nach aufgekommenem Wasser die Schiffahrt gleich wieder angeht, können wir doch nicht unsere Hände in den Schoß legen und verhungern. Das würde aber unausbleibliche Folge sein, wenn Eure Weltgepriesene Milde sich unserer nicht annähme, worauf wir jedoch mit dem größten Recht so zuversichtlich unterthänigst hoffen. Als Leute, die mit dem Kriege nichts zu tun haben, noch entfernten Anteil davon nehmen können noch wollen, sondern nur ihre Seereisen nach allen Orten wohin sie Beruf erhalten, zu machen suchen, bitten wir auf das devoteste: daß Euch es in Gnaden zu vergünstigen geruhe, daß wir zu Ribnitz als Bürger aufgenommen werden können, und wann solches geschehen, uns als solche Bürger nur zu unserer Sicherheit, einen hohen Regierungs-Paß huldvoll zu erteilen.

Keinem entsteht dadurch Beschädigung noch Nachteil- unser Unternehmen ist nicht unerlaubt, es ist nur Sicherheitsnachsuchung, daß wir nicht umkommen, noch das unsrige verlieren.

Und weil die Producten, welche wir verfahren, größtenteils mecklenburgisch sind, folglich der Handel in solchen vorteilhaft gemacht wird, so schmeicheln wir uns, daß Eure Hoheit unser Gesuch in Gnaden erhören und gewähren werden.“

 

Interview eines fiktiven Lokalreporters mit den Schiffern Stappenbeck und Meyfahrt

 

Reporter: Herr Carl Gustav Stappenbeck, Herr Johann Christian Meyfarth, Sie findet man ein wenig versteckt in der Grenzlandausstellung….

Meyfarth: Ja, wer hätte gedacht, dass wir noch einmal so zu Ehren gelangen. Dabei sind wir doch gar keine echten Ribnitzer oder Damgartener.

Reporter: Sie sind beide 1789 in der Grenzstadt Ribnitz ehrenwerte Bürger Mecklenburgs geworden. Was trieb denn einen Pommern nach Mecklenburg?

Stappenbeck: Wenn sie es genau wissen wollen: die Politik! In den Jahren 1788 bis 1790 herrschte einmal mehr Krieg im Norden Europas. Russland und Schweden kämpften um die Vorherrschaft im Ostseeraum und das natürlich vor allem mit ihren Flotten auf der Ostsee.

Reporter: Oh, da geriet man als Handlungsreisender sicher leicht zwischen die Fronten.

Stappenbeck: Das kann man wohl sagen! Keine guten Zeiten für friedlichen Seehandel. Auch wenn wir als Pommersche Schiffseigentümer mit dem Krieg der beiden Länder eigentlich nichts zu tun haben wollten, wurden wir doch hineingezogen. Formell seit dem Ende des 30jährigen Krieges Untertanen des schwedischen Königs, gerieten wir buchstäblich zwischen die Fronten. Weil unsere Schiffe nicht selten von der russischen Flotte aufgebracht und ausgeraubt worden waren, vertraute kaum noch ein Kaufmann uns seine Ware an.

Reporter: Kann man sich denken. Und die Lösung lag ausgerechnet in Ribnitz?

Meyfarth: Da die Geschäfte immer schlechter liefen, waren einige Schiffer auf die Idee gekommen, ihren Wohnsitz nach Mecklenburg zu verlegen. Was bot sich da besser an als eine Grenzstadt. Bereitwillig zahlten Schiffer aus Barth, Greifswald, Stralsund und Wismar sowie vom Darß, von Rügen und Usedom das Bürgergeld in Ribnitz, um fortan unbehelligt unter Mecklenburgischer Flagge fahren zu können.

Reporter: Wenn all diese Schiffer plötzlich in das kleine Ribnitz ziehen wollten, wurde es sicherlich ganz schön eng auf dem Wohnungsmarkt und entsprechend teuer.

Meyfahrth: Nein, nein, auch wenn wir sogar den obligatorischen Feuereimer erwarben, das Bürgerecht existierte nur pro forma. Eine Genehmigung zur Niederlassung in Mecklenburg war damit nicht verbunden.

Stappenbeck: Und nachdem der Herzog so großzügig die Schiffer ins Land gelassen hatte, schließlich wurden pommersche Schiffe traditionell auch mit mecklenburgischen Waren beladen, wurde er die Geister, die er gerufen hatte, nicht mehr los.

Reporter: Wie soll ich das verstehen?

Stappenbeck: Mit einem derartigen Ansturm hatte Friedrich Franz I. nicht gerechnet. Ende 1888 stoppte die Regierung den Zuzug. Und so wurden wir beide zunächst gemeinsam mit 50 anderen Schiffern aus Pommern im Januar 1789 abgewiesen.

Reporter: Und wie sind Sie dann doch noch in den Genuss des Ribnitzer Bürgerrechts gekommen?

Meyfahrt: Ein paar Kollegen aus dem wie Pommern schwedischen Wismar schrieben am 22. Januar ein Bittgesuch an Herzog Friedrich Franz I.. (siehe Brief der Schiffer an Friedrich Franz I.) Da dieses erfolgreich war, haben auch wir ein ähnliches Schreiben aufgesetzt und dazu bei den Wismarern abgekupfert, wie man so sagt.

Stappenbeck: Mit Erfolg, wie man sieht. Ich verlegte am 26. Februar 1789 meinen Wohnsitz pro forma von Stralsund nach Ribnitz.

Meyfahrt: Ja, und ich wurde am 31. März 1789 Mecklenburgischer Untertan.

Reporter: Es ist unglaublich! Wenn man im Ribnitzer Bürgerbuch blättert, findet man allein in den ersten beiden Kriegsjahren 218 pommersche Schiffer. Schon die Aufgenommenen des Jahres 1788 füllen 20 Seiten des Ribnitzer Bürgerbuchs.  (siehe Bürgerbuch Ribnitz 1788)

Stappenbeck: Sie sehen, Ribnitz war bei uns Schiffern und Kapitänen nicht nur als Altersruhesitz beliebt. Manchmal ließ sich auch der rettende Anker über die Passbrücke nach Mecklenburg werfen.

Reporter: Und umgekehrt, wie schon zu berichten war. Vielen Dank Ihnen beiden!