Interview eines fiktiven Lokalreporters mit Seefahrer Heinrich Albert Niejahr (*1866)

 

Reporter: Liebe Leser, darf ich Ihnen nun Heinrich Albert Niejahr vorstellen. Herr Niejahr, Sie sind ja in der Ausstellung mit einem Erinnerungsstück präsent.

Niejahr: Ja, meine Seekiste, mit der ich seit 1884 über die Weltmeere gefahren bin, ist zuguterletzt in der Grenzland-Ausstellung gelandet. Mit ihr soll ja sogar die Geschichte des Heimatmuseums in Ribnitz begonnen haben.

Reporter: So ist es. Die Seefahrt soll für alle jungen Männer hier von Kindertagen an präsent gewesen sein. Können Sie das bestätigen?

Niejahr: Natürlich! Wer vom Vater nicht Landwirtschaft oder Handwerk zu erben hatte, der versuchte sein Heil oft gleich nach der Konfirmation, also mit gerade mal 14 oder 15 Jahren, auf See. Entweder als Seemann oder als Schiffszimmermann.

Reporter: Wozu ist eigentlich so ein Schiffszimmermann da?

Niejahr: Die Zimmerleute spielten eine sehr wichtige Rolle, ihnen haben wir die glückliche Rückkehr manches Schiffes zu verdanken. Aber das fragen Sie doch besser einen echten Schiffszimmermann, den Heinrich Voss.

Reporter: Das werde ich tun. Was Sie aber auch wissen müssen: waren denn diese Schiffszimmerleute frühere Werftarbeiter?

Niejahr: Das ließe sich vermuten. Aber eher war es wohl umgekehrt, die Erfahrung des auf See gelernten Handwerks brachten manchmal die Arbeiter auf die Werft mit.

Reporter: Man kann sich kaum vorstellen, dass in Ribnitz und Damgarten einmal seetüchtige Schiffe gebaut wurden.

Niejahr: Sie denken da an die Ozeanriesen Ihrer Zeit, junger Mann. Noch im 19. Jahrhundert wagte man sich mit viel kleineren Schiffen auf die Weltmeere. Das größte hier gebaute Schiff war 135,5 Fuß lang. Das sind nur gerade mal 40 Meter. Die meisten waren nur zwischen 25 und 30 Metern lang. Auch wenn es wegen der flachen Boddengewässer nicht so einfach war, diese bis ins offene Meer zu bringen. Da ließen sich die Werftbesitzer z.B. so etwas Raffiniertes wie beidseits des Schiffes angebrachte Lufttanks, die es anhoben, einfallen. (Siehe Schiffslisten Werften)

Reporter: Aber da lohnte sich der Schiffbau doch hier gar nicht?

Niejahr: Sagen Sie das nicht. Abnehmer waren Schiffer aus Pommern oder vom Fischland. Dort legten meist ganze Großfamilien ihr Geld für ein Schiff zusammen. Einer von ihnen trat dann als Eigner auf, der sogenannte Schiffer. Manchmal war dieser auch gleichzeitig Kapitän des Schiffes. Oder man bestimmte dafür ein anderes Familienmitglied. Um die zu transportierenden Waren kümmerten sich oft wiederum Familienmitglieder. Die Werft von Dierling in Damgarten war eine Traditionswerft, schon 1764 gegründet. In Ribnitz begann der Schiffbau 1781 mit Saniter. 1825 gründete Johann Carl Peters seine Weft und 1840 folgte die von Johann Heinrich Wilken. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings der Siegeszug der metallenen Dampfschiffe schon eingeläutet. Wilken musste seine Werft 1915 schließen, nachdem er jahrelang nur noch Küstenschiffe gebaut hatte. Dierling in Damgarten hatte schon rund 35 Jahre zuvor dichtgemacht. Carl Heinrich Staben, der letzte Eigentümer der 1825 gegründeten Werft, schloss diese zwar schon im Jahr 1900, aber aus ihr wurde ein Sägereibetrieb, der noch fast 50 Jahre existierte.

Reporter: So ähnlich haben Sie das doch auch gemacht, nach Ihrer Seefahrerzeit ließen Sie sich in Ribnitz mit einer Sägerei nieder.

Niejahr: Ja, 1897 kauften mein Bruder und ich eine Sägemühle links des Körkwitzer Weges. Heute stehen dort riesige Häuser, Buxtehuder Straße. Obwohl wir als Schiffersöhne das Glück hatte, immer auf dem eigenen Schiff fahren zu können, haben wir die Seefahrt dann als junge Familienväter an den Nagel gehängt.

Reporter: Zu gefährlich?

Niejahr: Sind sie schon mal an Bord solch einer Nussschale in einen Sturm geraten? Nein, die christliche Seefahrt war kein leichtes Brot. Die See ist tückisch, die Arbeit auf den Seglern anstrengend und gefährlich. Manche Frau oder Mutter wartete zu Hause vergeblich auf ihren Heimkehrer. Das wollte ich meiner Familie nicht zumuten. Die Logbücher der Schiffe sind voller Unglücksfälle. Werfen Sie mal einen Blick in die Sterbebücher des Ribnitzer Standesamtes! (Siehe Auf See gebliebene)

Reporter: Oh ja! In diesem Sinne wünschen wir allen Seeleuten immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel! Danke Herr Niejahr!